Zwei Bruce Lee’s ueberqueren die Nidda mit Wuwei
Gebrueder Scheidewig feiern die 40-jaehrige Mitgliedschaft im Betriebssport- und Kulturclub, Abt. Karate (der Deutschen Bundesbank)
Im Anfang war der Gang zur Berufsfachsschule, die keinen Sportunterricht mehr anbot.
Mein Bruder und ich waren der gleichen Meinung, wir wollten Sport mit dem Beginn der
Berufsausbildung betreiben. Nach Ausfluegen Fussball (TSG51) und Tischtennis (TVE Ginnheim)
fiel uns die Betriebssportzeitschrift der Bundesbank in die Haende, aus der wir uns einstimmig
die wohl interessanteste Sportart heraussuchten.
Karate wurde zu der Zeit besonders starker oeffentlich wahrgenommen durch die
Kino-Hits von Bruce-Lee und den Serien-Knaller „Kung fu“ (dienstags ca. 22.55h in SAT.1 GOLD)
sodass wir keine andere Wahl hatten, als uns in die Geheimnisse dieses Sportes
einweihen zu lassen. Und was lag naeher, als kostenguenstig dem Betriebssport
beizutreten?
Mit behutsamer Anleitung von dem Dr. med. dent. Stefan Klotten lernten wir
unsere ersten damals noch sehr ungewohnten Karate-Schritte. Dass wir in der
Stilrichtung Shotokan gelandet waren und welche Vereins- und
Verbandsschwierigkeiten im Hintergrund herrschten, ahnten wir damals noch nicht.
Vielleicht ist deshalb Taekwondo heute eine olympische Disziplin und Karate
wird es trotz diverser Anlaeufe wegen der Stil-Vielfalt nie werden.
Es herrscht nach wie vor ein Babylon der Kampfkuenste. (Dies ist uebrigens auch
der Grund warum ich "nur" meinen ersten Schwarzgurt gemacht habe).
Nun gu. Es hatte uns gepackt. So sehr, dass wir jeden
verfuegbaren Menschen in einen Karate-Anzug packten und nicht nur freitags
trainieren wollten.
Und da war wieder Stefan, der uns dann zum 1. Frankfurter
Karate-Dojo begleitete. 1967 gegruendet und mit dem Dojo (Sportstaette) Uni
Frankfurt sowie Bad Homburg (erstes Dojo der Bundesrepublik, in dem auch
Elvis Presley seine ersten Karate-Techniken erlernte), hier waren wir wieder
am rechten Fleck.


Die bereits angedeuteten ersten Verbandswidrigkeiten traten zum ersten male
hautnah auf. Die beiden Pruefung, weiss- und gelb- Gurtpruefungen mussten
wir noch einmal machen. Die vom Meister Schwalb, damaliger Trainer des
Bundesbank-Dojos, abgenommenen Pruefungen wurden vom 1. Frankfurter Karate-Dojo,
Mitglied im Deutschen Karate-Bund nicht anerkannt. Das hielt uns, trotz Sieg der
Buerokratie, aber nicht auf.








Drei, vier oder fuenfmal die Woche trainierten wir mit unbaendiger Begeisterung.
Und die erste Vereinsmeisterschaft liess nicht lange auf sich warten. Sogar bei
der Hessenmeisterschaft konnten wir auch teilnehmen. Das Bundesbank-Dojo
durchlitt parallel in dieser Zeit, leider einige Trainerwechsel (z. B. Mai u
nd Heleine). Doch dann endlich gaben dem Bundesbank-Dojo, der Trainer
Dr. Axel B., aber auch die Spartenleiter Norbert M. und Matthias
R. eine hohe Kontinuitaet. Und nicht nur das, sondern eine sehr hohe
Geborgenheit und Akzeptanz. Noch mehr Funktionaere, viele, sehr viele
Trainingsbegleiter, unzaehlige Ereignisse, insbesondere Schwarzgurtpruefungserfolge,
die uns die letzten vier Jahrzehnte begleiteten, ausfuehrlich zu nennen, wuerde
den Rahmen dieses Mediums sprengen, weshalb wir uns auf einige wenige beschraenken
wollen.





Vor allem zwei Superereignisse in alter und neuer Zeit wollen wir aufzeigen. Von Norbert Maybach als Spartenleiter die Hauptereignisse ins Leben gerufen, waren die vielen Vergleichskaempfe uns ein legendaeres Fest im Dorf seines damaligen Wochenendhauses. Nationale Banken wie die Dresdner Bank aber auch die Bank of England waren vor uns nicht sicher, als Vergleichsgegner herausgefordert zu werden.
Exemplarisch (hierzu gibt es noch einiges an aufbereitetem Videomaterial – siehe Web wie oben) sei insbesondere auf das Wochenende um den 1.9.1990 hingewiesen und auf einen der vielen Gegenbesuche in England (Fotos: bitte je nach Qualitaet: Englischer Garten, Lokal, Trainingsvorbereitungen, LondonCity).
Und Ausschnitte aus der „neuen“ Zeit, zeigen a) den eigenen roten 40 Jahres-Faden und b) die Kontinuitaet der Geborgenheit und Teilnahme, letztlich nicht mehr als Kaempfer, sondern als Kaempfer-Begleiter, die kroenenden Teilnahme-Erfolge des Bundesbank-Dojos an der Hessenmeisterschaft. Ein Teilnehmer (Christoph Weege) 2010 und zwei Teilnehmer (zusaetzlich Alexander Bock) 2011 belegten erfolgreich die ersten oder zweiten Plaetze, in den Kategorien (Zwei-) Kampf wie Kata (eine Art Kuer von international festgelegten, aneinander gereihten Techniken, verschiedener Staerke und Schnelligkeit, eine Art von Schattenboxen gegen imaginaere Gegner).
Fuer eine solch in Abrissen aufgezeigte vierzigjaehrige Ereigniswelt erhielt zudem und fast jeden Freitag, nach dem Training auch stets durch feucht froehliche Sitzungen in der Sportlerklause einen wuerdigen Abschluss. Besonders fuer die zahlreiche Teilnahme an der Geburtstagsfeier des Jubilars Bodo W. Hildebrandt, geborener Scheidewig, um den 21.2.2010 sei an dieser Stelle zusaetzlich allen MitstreiterInnen, allen Hintergrundfunktionaeren, allen Eingeweihten und noch Einzuweihenden an dieser Stelle herzlichst fuer die mir entgegengebrachte hohe Akzeptanz und tiefe Geborgenheit gedankt.
Und schliesslich, um exemplarisch den tiefen Sinn dieses wundervollen Sports, in Dankbarkeit fuer das Erlernenduerfen, darzustellen, moechte von eines der Haupterkenntnisschuebe erzaehlen, von der einzigen Strassenkampferfahrung.
Im Rahmen eines Kururlaubs im Allgaeu, Fuessen, wollte ich meinem Miturlauber an der Tankstelle die Scheibe seines Autos putzen, waehrend er einen weiteren Miturlauber versuchte, an der gegenueberliegenden Telefonzelle anzurufen. Ich setzte mich nach getaner Arbeit zurueck ins Auto und wartete auf ihn. Bis er sodann auch kam und mir berichtete, dass er unseren dritten Mann nicht anrufen konnte, weil junge „Schnoesel“ die Telefonzelle besetzten und ihn lauthals beschimpften. Ich wuerde es mir mal anschauen, meinte ich, mich in Bewegung setzend.
In und vor dieser Zelle standen drei junge Leute. Drum herum standen mehrere wartende Menschen, und die Bewohnerin des Hausgrundstueckes mit ihrem Hund vor eben dieser Zelle. Zwei der beiden Jugendlichen schuechterte ich durch schnelle gestoppte Angriffsandeutungen ein. Aber den Aktionist, der das Telefon bediente, liess dies kalt. Ich wollte mich gerade umdrehen, da warf er eine Muenze ein, waehrend er vorher nur so tat, als ob er telefonieren wuerde. Gleichzeitig beschimpfte er mich lautstark, als ich versuchte, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Ich ueberlegte, was ich denn wohl machen solle. Einen Mae-Geri (Fusstritt in den Bauchbereich) koennte die Leber reissen lassen. Einen Tsuki (Fauststoss) auf die Kinnspitze koennte fehl laufen und den Kehlkopf treffen. Also was nun. Ich entschloss mich eine gesalzene Ohrfeige zu geben. Doch wegen der langen Ausholbewegung und der Schnelligkeit meines Gegners lief diese ins Leere. Ich nahm ihn dann mehrfach aus der Kampfstellung heraus in den Schwitzkasten. Die Annaeherung erlaubte es ihm, mehrfach in meine Genitalien zu greifen.
Dieser fuer mich vollkommen neue mentale Status war d i e erste der entscheidensten Erfahrungen fuer mich. Die ganze Zeit stand „ich ueber den Dingen“. Ich versuchte sogar, meinen Gegner vor meinen eigenen Kampftechniken zu schuetzen, bis meine Saeugetierinstinkte freigelegt waren. Gluecklicherweise hielt ein Autofahrer an, packte mich von hinten, hielt mich fest. Genau im rechten Zeitpunkt, als ich hemmungslos losstuermen wollte und da verstand ich, und besann mich auf die tiefste Lehre des Karate.
Die drei Rabauken waren geflohen. Der Moment des nachfolgenden Innehaltens bzw. das durch einen Dritten festgehalten werden, lehrte mich diese Zurueckhaltung. Ich hatte die Philosophie dieses wunderbaren Sports begriffen, was mir erneuten Auftrieb gab und mich zum Nachfolger von Matthias Ackermann, Fortgeschrittenen Trainer der Sporthochschule der Johann Wolfgang von Goethe Universitaet brachte.


Ergaenzt wurde dieses Mentaltraining waehrend meiner tiefsten Krise (1999) durch die Lektuere das zufaellig auf einem Wuehltisch fuer unbeachtete Buecherrestposten entdeckte Tao-Te-King² neu uebersetzt von R.L.Wing und dieses dann ergaenzend durch das bei einer guten Freundin wiederentdeckte Geschenk an sie: das I Ging³, in der fuer mich besten Erklaerung von Rene van Osten.
Insbesondere das Tao-Te-King² inhalierte ich foermlich. Die Kommentare der Naturwissenschaftlerin eroeffneten mir den Zugang zur Weisheitslehre der Asiaten. Zu den oft abstrakt gehaltenen Passagen. Zwei Zitate aus diesem Tao-Te-King²:
Vers 63: „Handle, ohne zu tuen; sei taetig ohne Muehe. Schmecke, ohne Geschmack zu finden. Mach gross das Kleine; vermehre das Wenige. Vergelte Boeswilligkeit mit Wohlwollen.“
Vers 51: „Nun aber kann, … wer das Leben fuer sich einzunehmen weiss, das Land durchreisen, ohne einen Einhorn oder Tiger zu begegnen. Beim Zusammenstoss mit den Soldaten ist seine Verteidigung unangreifbar. Dem Einhorn bleibt keine Stelle, sein Horn hineinzustossen. Dem Tiger bleibt keine Stelle, seine Klaue festzukrallen. Den Soldaten bleibt keine Stelle, ihre Klinge einzuzwaengen.“
Und kurz die brilliantesten Worte, die das dem Laotse zugeschriebene Tao-te-king abschliessen, in der mir schoensten uebersetzung: Siege ohne zu kaempfen. Oder bist Du auf fast alle Eventualitaeten vorbereitet, treffen Sie nicht ein.
Ein schoenes einfuehrendes Werk zum Taoismus, das ich jedem Einsteiger empfehlen wuerde, ist das Werk „Wuwei“ (Muehelosigkeit; Nichttuen) von Theo Fischer, im Fischerverlag erschienen.
a@hilde-brandt.de/karateBbk.htm
I Ging – Das Buch vom Leben, Rene van Osten, 2. Auflage, 2004, Windpferd Verlag, ISBN 3893853367
²Der Weg und die Kraft – Laotses Tao-Te-King, Orakel u. Weisheitsbuch R.L.Wing, 1987, Knaur Verlag, ISBN 3426263033
³Wuwei, Theo Fischer,
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